Denise Scott Brown

Im Seminar von Dora Imhof und Berit Seidel Architektinnen – Ein Oral History Projekt erscheint unter den Pflichtlektüren ein Text von Denise Scott Brown. Ein bekanntes, klassisches Essay von 1989, Room at the Top. Sexism and Star System in Architecture, in dem Denise Scott Brown über die Ursprünge des Selbstverständnisses des amerikanischen Architekten als Berufsmann reflektiert; sie findet die „Backform“ in den exaltierten Beaux-Arts-Jahren der Jahrhundertwende: sie ortet zu jener Zeit eine kleine Elite, zu einem autoritären System organisiert, einer Art „Herren-Club“, unter dezidiertem Ausschluss von Damen. Eine Situation, die sich auch unter den Zeichen der Moderne fortsetzt und zusätzlich den Avant-Garde Architekten, als Titan des Massenbaus und als Herr über die Technik, mit den Attributen des Helden, des Revolutionären und des Machos, wie sie es formuliert, ausstaffiert. Sie beobachtet auch wie tief diese Prägung noch in den Knochen der aktuellen mittelalterlichen Generation sitzt.

Ein produktiver Ansatz, wie ich finde, um das heutige System der Architektur zu verstehen und um die Bedeutung eines geschlechtsdifferenzierenden Ansatzes zu veranschaulichen. Zu welchem Berufsbild des „Architekten“ würde uns wohl die Rekonstruktion der institutionellen Anfänge der Architektur am Zürcher Polytechnikum führen? Man kann bis anhin nur spekulieren – Forschungen gibt es noch keine – über die Schweizerische und Deutsche männliche Kulturelite, aus äusserst gefestigten bürgerlichen Verhältnissen stammend, die von Beginn an, einen kleinen, geschlossenen Kreis bildete, in dem akademischer, wie auch geschäftlicher Umgang gepflegt wurde, man denke an den Ahnenvater Semper, an seine Schüler Bluntschli, Lasius, dann an Gull und an Moser. Und wie ging es weiter mit den Wilhelm Tells der Moderne, Salvisberg, Hofmann, u.a.? Welches Berufsleben konstituierte sich parallel dazu in der Schweiz und prägte das (männliche) berufliche Selbstverständnis? Wie waren diese Netzwerke und Konventionen definiert, zum Beispiel der Militärdienstgrad oder die Zugehörigkeit zu Burschenschaften und Vereinen, auf welche Weise waren die Berufsverbände organisiert und welchen Zugang fanden berufswillige Frauen zu diesen Zirkeln? Historische, gender-bewusste Fragenstellungen, die mehr Licht auf die heutige Situation der Architektinnen in Ausbildung und Beruf in der Schweiz werfen könnten. Gender-Forschung in Architektur hat natürlich viele monographische Aufgaben zu bewältigen, aber nicht nur.

Eliana Perotti